Jeder hat das Recht auf Schmerzfreiheit

Ich bin 1956 in Al-Faium, einer Oase 90 Kilometer südlich von Kairo geboren und aufgewachsen. Zu jener Zeit wäre ein Besuch bei einem Arzt nicht möglich gewesen. Mutter hat uns sechs Kinder, wenn wir krank waren, mit Tees, mit Kräutern, vor allem aber mit ihren Händen behandelt.

Später, als ich schon das Gymnasium besuchte, hat sie für mich gebetet: Gott mache, dass Mustafas Hände heilend werden. Daran habe ich viele Jahre nicht gedacht. Ich wollte Arzt werden, kam dafür nach Österreich und habe mich mit allen möglichen Jobs über Wasser gehalten. Ich war Kellner, Maler und Anstreicher und habe als Zeitungs- Kolporteur gearbeitet. Später war ich Oberarzt in einem Gemeindespital.
Meine Facharztausbildung in Psychiatrie und Neurologie hatte ich abgeschlossen.

Ich war unzufrieden, weil wir als Neurologen die Arbeit immer nur delegieren konnten: Wir stellten eine Diagnose und schickten die Patienten zum jeweiligen Therapeuten.
So entdeckte ich meine Nische, die Neuro-Orthopädie. Die Wirbelsäule beinhaltet das Rückenmark, das Zentralnervensystem ist also in den Bewegungsapparat eingebettet.
Der Neurologe hat aber üblicherweise keine Ahnung von der Wirbelsäule, umgekehrt weiß der Orthopäde nichts von der Neurologie. Ich musste die manuelle Medizin von der Pike auf lernen. Auf diesem langen Weg entdeckte ich die Osteopathie und verstand, wie bedeutungsvoll meine Hände sein können. Da erst habe ich mich wieder an die Gebete meiner Mutter erinnert. Seit 20 Jahren lebe ich von diesem Wissen.
Die Schulmedizin enttäuscht immer mehr Menschen, die sich auf ein Symptom, eine Diagnose oder eine Operation reduziert sehen. Wir verstehen den Schmerz ganzheitlich und sehen in jedem Patienten eine einzigartige Manifestation des Lebens.

Jemand der frisch geschieden ist und mit Schmerzen zu mir kommt, kann nicht mit einer Cortison-Spritze abgefertigt werden. Bei der schmerzgeplagten und allein erziehenden Mutter, die berufstätig ist, muss ich auch den Umstand bedenken, dass sie vermutlich ausgebrannt und abgearbeitet ist. Ohne diesen psychosozialen Zugang wären meine Hände nicht halb so wirksam.